Interview mit dem Künstler Cellz
„Dream On" ist eine EP von dem deutsch-südafrikanischen Künstler Cellz und dem Interpreten, Beatmaker und Toningenieur Blue Glass aus Antigua. Die beiden beschreiben ihre Musik als ,,hypnotic downtempo RnB grooves with soulful voices", die sich im Alternative RnB und Neo-Soul einordnen ließe. Die Klänge des Künstlerduos erwecken das Gefühl des Zeitreisens. Zwischen den Dimensionen sieht man Utopien und Dystopien an einem vorbeiziehen.
Die Stücke sind von sanften Saxophon Soli, analogen Polysynthesizern und einschlägigen Bass-Riffs geprägt. Beide Künstler erscheinen als Sänger und ermutigen mit ihren Texten, trotz der Schwere des Lebens, weiterzumachen. Als Session-Musikerinnen haben Laila Mahmud(Qanun), Ruth Mogrovejo (Viola) und Anna-Lena Schmidtpeter (Backing-Vocals) zu der EP beigetragen.
Auf dem Dachgarten-Museum Heaven 7 des mehrfach ausgezeichneten Aktionskünstlers FLATZhaben Kwami Tendar und Marcel Du Plessis-Zoetl, mit der Schauspielerin Nadja Sabersky einen EP-Film gedreht. Das Musikvideo erscheint auf YouTube und die EP ist auf allen Streaming-Portalen zu hören. Im Interview mit of Color erzählt er von seiner musikalischen Laufbahn.
Was machst du beruflich?
Aktuell würde ich mich als Freelance Eventmanager bezeichnen, ich mache gerade ein Praktikum bei einem kleinen Label. Im Rahmen des Praktikums sowie in der Vergangenheit konnte ich bereits Erfahrungen als Musical Workshop Leader machen. Was das Studieren angeht habe ich bereits einen Bachelor in Management und Technology und möchte nochmal einen Master im Bereich des Musikmanagements machen. Dass ich mich beruflich in der Musikindustrie verwirklichen könnte, wurde mir erst während meines Bachelors klar.
Wie hat deine musische Laufbahn begonnen?
2018 bin ich dem Hip-Hop Kollektiv D!aspora aus München beigetreten. Das ist eine neunköpfige Gruppe bestehend aus Produzenten, DJ, MCs und Instrumentalisten, die sich thematisch insbesondere der Inklusion und der Diversität widmen. Hieraus entstanden mehrere Kollaborationen, die mir das Vertrauen gaben, als Interpret und Songwriter tätig zu werden.
Wie kam es zu den ersten Aufnahmen deiner Musik?
Die ersten Aufnahmen machte ich für D!aspora - “Chaos im Kopf” EP als Saxophonist. In der selben Zeit kamen die beiden Produzenten Glastpype und Charas Lounge, die damals auch bei D!aspora waren, auf mich zu. Sie gaben mir Beats, versorgten mich mit Soft- und und Hardware und sagten, ich sollte doch mal was aufnehmen.
Auf welche Aufnahmen bist du besonders stolz?
Ehrlich gesagt immer auf die Sachen, die noch nicht veröffentlicht wurden. Man entwickelt sich ja stetig weiter und blickt daher etwas kritisch auf vergangene Aufnahmen. Wenn ich eine spezifische Aufnahme nennen müsste, wäre das die von Cruel Fools von der EP “The System”. Ich hatte damals noch nie eine Livesession-Aufnahme gemacht, also mit allen Musikern zeitgleich in einem Raum. Wir haben stundenlang recorded bis wir einen Take hatten mit dem wir zufrieden waren. Das war eine sehr schöne Erfahrung. Grüße und ein dickes Danke an die Beteiligten Olof-Petter Häggström (Drums), Wilbert Pepper (Kontrabass), und Camillo Wildenauer (Gitarre). The Bonzo Session hat auch super viel Spaß gemacht, da ich dort die Lyrics und Melodien der Toplines sozusagen on the spot liefern musste und wir das Ganze in the making aufgenommen haben. Deshalb auch das „Session“ im Titel. Außerdem war das Ganze mit einer Reise nach Berlin verbunden, was zu dem Zeitpunkt sehr aufregend war, weil wir einen langen Lockdown hinter uns hatten.
Deine Musik lässt sich im Hip-Hop, Jazz, RnB & Soul und House verordnen. In welchem Genre fühlst du dich am wohlsten?
Inzwischen fühle ich mich im RnB & Soul am wohlsten. Das liegt wohl daran, dass sich darin viele Elemente aus dem Hip-Hop, Jazz und Blues wiederfinden, es jedoch auch sehr modern klingt. Die Grenzen dieser Genres sind sowieso sehr fließend. Ich kann dort meine Stärken wie den Gesang und das Saxofon, sowie das Schreiben eingängiger Hooklines gut vereinen. Außerdem kann man darin, wie ich finde, eine gewisse Komplexität eingängig klingen lassen.

Worin unterscheidet sich der Solokünstler Cellz von dem Bandmitglied?
Wie vorhin erwähnt, gäbe es den Solointerpret Cellz ohne das Bandmitglied überhaupt nicht. In der Band habe ich so gut wie alles gelernt was ich heute beherrsche. Das wöchentliche Musizieren mit vielen erfahrenen Musikern beschleunigte meine musische Entwicklung ungemein. Das ist nach wie vor noch so. Meine Bandkollegen ermutigten mich auch dazu, den Weg als Solokünstler zu gehen. Ihnen verdanke ich sehr viel!
Von wem oder was ist deine Musik inspiriert?
Als Kind und Jugendlicher hörte ich sehr gerne Musik von zum Beispiel Michael Jackson, Eminem, 50 Cent, Usher, Rihanna, P!nk und Justin Timberlake. Die Alben “Bad” und “Thriller” produziert von Quincy Jones waren sehr wichtig für mich. Ich war zwar im Gymnasium in der Jazz Band, aber eine Passion für Jazz und Blues habe ich ehrlich gesagt erst in den vergangenen Jahren entwickelt. Heute beschäftige ich mich gerne mit Künstlern wie Christian Scott aTunde Adjuah & Ray Charles.
Thematisch hat mich meine zweite Heimat Südafrika, die Heimat meiner Mutter und ihre sozialpolitische Vergangenheit sehr geprägt. Wie die Gesellschaft so gespalten und tyrannisch sein kann, wie damals in der Apartheid, ist oft Thema meiner Titel. Als lokale Inspiration der Gegenwart würde ich gerne den Performance Künstler Flatz nennen. Ich durfte ihn dieses Jahr näher kennen lernen und auf seinem Dachgarten-Museum Heaven 7, mein bald erscheinendes Music Video Dream On drehen. Es ist unglaublich inspirierend, wie er für die Kunst und Kultur lebt. Dieses Jahr hat er die weitreichende Aktion “So Nicht Herr Brunner” gestartet. Er setzt sich mit viel Leidenschaft und dem Einsatz eigener Ressourcen gegen die Gentrifizierung und für den Erhalt des Kulturraums ein.
Wie hat deine Mutter deine Musik inspiriert?
Meine Mutter ist eine Kämpfernatur und personifiziert für mich Empowerment, Entrepreneurship, Selbstvertrauen, Ästhetik und so vieles mehr. Diese Werte versuche ich auch in meiner Musik zu vermitteln. Außerdem ist sie so unglaublich gut vernetzt und versteht es, die Leute auf ihre Seite zu bringen. Ich habe jahrelang für sie - beziehungsweise mit ihr - in der Gastronomie gearbeitet und durfte viel lernen. Sie ist und bleibt ein Idol für mich und prägt mich in meinem Schaffen.
Was willst du mit deiner Musik vermitteln und was hebt dich von anderen ab?
Ich versuche mit meiner Musik zu inklusiven, reflektierten und nachhaltigen Gedanken und Handlungen anzuregen. Ich denke, ich verstehe mich sehr gut darin gewisse Strukturen in der Musik und der Musikindustrie schnell zu erfassen und mir zu eigen zu machen.
Wie beeinflusst dein Schwarzsein/Bi_PoC-sein deine Musik?
Wie jede*r Bi_PoC sicherlich bestätigen kann, beeinflusst das Schwarzsein jeden Aspekt des Lebens. Die Erfahrungen, die man damit macht, sind fest in der Identität eines jeden Bi_PoC’s verankert. Meine Musik ist auch eine Verarbeitung von Ängsten und Hoffnungen, die damit verbunden sind. Nicht nur möchte ich damit anderen marginalisierten Personen eine Botschaft senden, es ist auch eine Art Selbsttherapie.
Du machst Musik mit Künstler*innen aus der ganzen Welt, was konntest du dadurch lernen?
Musik ist tatsächlich eine universelle Sprache. Sie verbindet ungemein schnell und intensiv. Einen Song zusammen zu machen, vermittelt einem das Gefühl, dass man schon seit Jahren befreundet ist. Auch wenn man sich nur digital kennen lernen darf, wie das bei Depart aus Istanbul, Blue Glass aus Antigua oder Fatbabs aus Dinan war, ist das der Fall. Jeder Künstler, mit dem ich zusammengearbeitet habe, hat andere Seiten in mir hervorgerufen und mir enorm viel beigebracht. Bringt man Diversität in seine Kollaborationen, erweckt man auch die Vielschichtigkeit in einem Selbst.
In drei Stichworten: Wie würdest du deine Musik bzw. Songs beschreiben?
Mellow, groovy und catchy.
Was war deine schönste Bühnenerfahrung?
Die ersten Male waren bereits im Chor der Grundschule als erste Sopran Stimme, wenn ich mich richtig erinnere. Dort war ich, denke ich, noch ziemlich verunsichert. Meine schönste Bühnenerfahrung war letztens auf dem “KunstImQuadrat” in München. Irgendwie war dieser Auftritt sehr besonders für mich. Danke an alle die da waren und mich unterstützt haben!
Und was sind deine nächsten musikalischen Schritte? Worauf dürfen wir uns in Zukunft freuen?
Am 14. Januar erscheint die Single Dream On – Cellz x Blue Glass zur gleichnamigen EP, welche vier Wochen später erscheint. Es ist ein hypnotic downtempo RnB Projekt welches das Ganze nochmal auf das nächste Level heben wird. Ich bin sehr gespannt, wie dieser Release in der Community ankommen wird. Es ist auch eine Frage der Vermarktung, jedoch bin ich guter Dinge, da wir zusammen mit Kwami Tendar ein sehr bewegendes Music Video veröffentlichen werden.
Auf welches Talent, dass nichts mit Musik zu tun hat, bist du am meisten stolz?
Stolz wäre übertrieben, aber ich schlag mich ganz gut in Ball- und Schlägersportarten wie Spikeball, Squash und Tischtennis. Das macht mir super viel Spaß!
Was sind deine Hoffnungen für die Zukunft?
Liebe & Gesundheit für alle Bewohner dieser Erde!
10 Fragen an Amira
10 Fragen an Amira
@a.mira.a.r

Stell dich bitte kurz vor!
Hey, ich bin Amira, bin 27 Jahre alt und habe erst einen Abschluss in Architektur gemacht und danach Modedesign studiert. Seit April bin ich damit fertig und mache ich hier und da ein paar Styling Jobs.
Seit wann interessierst du dich für Modedesign und wie bist du dazu gekommen?
Ehrlich gesagt, weiß ich nicht genau, wann das Thema Modedesign so präsent geworden ist. Mode an sich war immer ein Weg, mich auszudrücken. Modedesign zu studieren kam mir erst nach meinem Architekturstudium in den Sinn, als ich gemerkt hatte, dass das nicht wirklich meine Welt war.
Wirklich darauf gekommen bin ich eigentlich durch ein Praktikum im Designbereich bei BMW. Ich war da bei der Color-and-Trim-Abteilung und ein paar Mitarbeiterinnen dort hatten Mode studiert und haben es geschafft, mich auf das Studium aufmerksam zu machen.
Wieso hast du dich für Fashion und nicht für eine andere Kunstform entschieden?
Dass ich etwas Kreatives machen möchte, war immer klar. Architektur war der erste Versuch, das umzusetzen. Aber ich habe gemerkt, dass es schwer für mich war, Themen und vorallem meine Identität durch Architektur auszudrücken. Mode war für mich immer ein Weg, dies zu tun. So viele Menschen schaffen es, durch ihre Kleidung zu zeigen, wer sie sind und für was sie stehen. Ich wollte das auch. Ich wollte eine Kunstform erlernen, mit der ich etwas erschaffe, worin sich Menschen wohlfühlen und womit sie sich vielleicht sogar identifizieren können.
Was möchtest du mit deiner Mode ausdrücken?
Mit meinen Designs versuche ich immer unterschiedliche Themen zu vereinen und so etwas Neues zu kreieren. Die wichtigsten Themen waren immer meine Wurzeln, welche im Libanon liegen, und Bereiche, die mit Genderdiskussionen, LGBTQ+-Themen und Feminismus zu tun haben. Die Dissonanz, die sich durch meine Queerness und meine Wurzeln gebildet hat, zu vereinen.
Meine Kleidung soll ein Gefühl von Zugehörigkeit und Identität schaffen.
In drei Stichworten: Wie würdest du deine Mode und Kreationen beschreiben?
Als ehrlich, stark und gefühlvoll.
Von was oder wem ist deine Fashion inspiriert?
Ich hole mir meine Inspiration von ganz verschiedenen Orten. Wie bereits erwähnt liegt ein großer Teil meiner Inspiration im Libanon und in den Gender Studien. Aber ich lasse mich auch durch Kunst, Gedichte und interessanten Menschen inspirieren. In manchen meiner Designs war zum Beispiel Erykah Badu eine große Inspiration. In meiner letzten Kollektion haben die Werke von Judith Butler eine große Rolle gespielt.
Wie schätzt du die Zukunft der Modebranche ein?
In Zukunft glaube ich, dass in der Modebranche grundsätzlich neue Herangehensweisen ausgearbeitet werden. Nicht nur die Pandemie hat einiges verändert, auch das immer weiter wachsende Bewusstsein für Nachhaltigkeit ist ein riesen Thema geworden. Die Modebranche muss sich anpassen und umstrukturieren. Vielleicht muss sie sich sogar in mancher Hinsicht neu erfinden.
Merkst du Veränderungen in der Mode- und Designbranche, was BIPoC und LGBTQ+ angeht?
Die Frage ist schwierig zu beantworten. Ja und nein. Ich finde, seit letztem Sommer wird dem ganzen Thema mehr Aufmerksamkeit gegeben. Diversität aber wirklich als Grundwert zu etablieren und daraus eine Selbstverständlichkeit zu machen, ohne dass es nur „Schein“ ist - ich glaube davon sind wir leider noch entfernt. Klar, es gibt Veränderung, aber dass die Modebranche noch immer ganz klar von weißen Designer:innen dominiert wird, darf man nicht vergessen.
Welche Veränderungen würdest du dir denn für die Branche bezüglich BIPoC und LGBTQ+ erhoffen?
Ich würde mir wünschen, dass Diversität als Grundwert in der Branche etabliert wird und die Repräsentation von BIPoC in der Modeindustrie nicht nur vor der Kamera steigt, sondern vor allem dahinter. Also im Management- und Designbereich... Queerness, “Anderssein” ist ja nicht wirklich etwas Neues in der Modewelt. Aber inwiefern werden queere Aspekte nur als Hype aufgegriffen und wo werden diese Aspekte so eingesetzt, dass sie sich wirklich gegen Heteronormativität, gegen Zweigeschlechtlichkeit wenden. Ich hoffe, auch da wird sich weiterhin einiges ändern.
Ich hoffe, dass durch die wachsenden Diskussionen, die momentan entstehen, mehr Menschen auf Ungerechtigkeit aufmerksam gemacht werden und so immer mehr BIPoC und Menschen der LGBTQ+-Community den Mut haben, ihre Kreativität und ihre Gedanken durch Mode in die Welt zu bringen.
Und was erhoffst du dir in Zukunft von deiner Mode?
Ich hoffe, durch meine Mode in Zukunft Menschen inspirieren zu können, ihre Identität zu erforschen und auszuleben. Sich zu trauen, unterschiedliche, auf den ersten Blick nicht vereinbare Identitäten zu verbinden und so sie selbst zu sein.
Wie sehen deine nächsten künstlerischen Schritte aus?
Mein nächster Schritt ist es, noch mehr Erfahrungen zu sammeln und dazuzulernen. Eventuell gehe ich zu Daily Paper in Amsterdam, die ein großes Vorbild für mich sind. Ein weiter Schritt ist es, eine eigene Marke aufzubauen, die inspirieren wird.





Fotos: Kaj Lehner
Joshua Brown-Colli
14 Fragen an Muzascorner
14 Fragen an Rapper Musa Borkowski
@muzascorner

Stell dich bitte kurz vor!
What’s good! Mein Name ist Musa Borkowski, ich bin 20 Jahre alt, komme aus Landshut und studiere in Regensburg vergleichende Kulturwissenschaft und Medienwissenschaft. Meine Wurzeln liegen in Deutschland und Südafrika.
Wie hat deine musikalische Laufbahn begonnen?
Aktiv selbst Musik mache ich seit meinem zehnten Lebensjahr. Ich habe Trompete gespielt, bis ich 16 war. Mit 14 habe ich dann angefangen, Hip-Hop zu hören und mit ungefähr 17 Jahren im Schulunterricht erste Zeilen zu schreiben.
Man merkt, dass du schon früh deine Leidenschaft für die Musik entdeckt hast. Wie kam es zu den
ersten Aufnahmen?
Zum selbst Recorden und Veröffentlichen bin ich durch einen Zufall gekommen. Ich war im September 2017 mit der Schule auf Abschlussfahrt in Amsterdam. Dort haben mich abends einfach random zwei Jungs auf der Straße gefragt, ob ich Beats mache, rappe oder Texte schreibe. Ich habe ihnen dann von meinen gelegentlichen Schreibversuchen erzählt. Mit dem Auftrag, auf einen Beat von Youtube einen Verse zu schreiben, haben sie mich dann paar Tage später zu sich ins Studio eingeladen. Dort haben sie mir ihre Songs gezeigt und ich konnte meinen ersten Aufnahmeversuch gleich in einem professionellen Studio wagen.
Und obwohl ich meiner Meinung nach nicht so überragend war, waren die Jungs voll begeistert und haben mich richtig motiviert. Als ich in den Bus zurück eingestiegen bin, hat einer von ihnen noch gerufen: „Bro this is just the start!“ - das hat sich richtig in mein Gehirn eingebrannt. Ich war selten so happy wie auf der Fahrt zurück. Die beiden haben wirklich sehr gute Musik auf Lager, aber sind mittlerweile leider zerstritten. Allerdings stehe ich noch mit beiden in Kontakt und mindestens einer von ihnen wird auf einem meiner Songs zu hören sein!
Wieso hast du dich für Rap und nicht ein anderes Genre entschieden?
Rap kann alles. Wirklich alles. Gemein sein, zerstören, aber genauso traurig sein, Freude oder Wut ausdrücken und am wichtigsten: Leute zusammenbringen. Die Variabilität von Instrumentals und die darauf aufbauende Vielfalt von möglichen Songs, ganz abhängig von der Künstlerin oder dem Künstler, fasziniert mich. Aber als 2015 der Soundtrack von Dr. Dre zum Film „Straight Outta Compton“ rauskam, habe ich recherchiert und mir den ganzen musikalischen Katalog von N.W.A. und ihrer einzelnen Mitglieder reingezogen. Im Zuge dessen habe ich mich auch erstmals eingehend mit der Geschichte der Schwarzen in Amerika und deren Auswirkungen bis heute beschäftigt und war sehr davon beeindruckt, wie viel gesellschaftliche und auch politische Power und Bedeutung die Worte in den Songs für die Leute damals hatten. Das kann meiner Meinung nach kein anderes Musikgenre von sich behaupten.
Was willst du mit deiner Musik ausdrücken und was macht diese besonders?
Gute Frage. Einen thematischen Kanon gibt’s es bei mir jetzt nicht, aber ich möchte gerne die „New Wave“ des Hip-Hop mit Oldschool verbinden. Das heißt, ich rappe zwar überwiegend auf Trap-Beats, aber nuschle nicht irgendwas vor mich hin, habe keinen Roboter-Autotune-Singsang, sondern versuche wirklich Bars aufs Papier und im Endeffekt ins Mic zu bringen, sehr gerne auch mit Melodie. Dieses Skill-Set, das früher die Essenz des Hiphop war, ist nämlich heutzutage stark verloren gegangen, finde ich. Zumindest werden die “Autotune-Nuschel-Diamantenkette-nur-auf-Gesicht-und-Händen-tätowiert-Künstler” stark von der Industrie gefördert. Verkauft sich besser.
In Deutschland ist es besonders schlimm. Dem will ich durch meinen eigenen Style entgegengehen, beziehungsweise ausweichen. Ein weiteres wichtiges Ziel meiner Musik ist es, Leute zusammenzubringen. In erster Linie Creators, also Künstler:innen, Produzenten, Grafiker. Und zwar über internationale Beziehungen. In meinem Song „Going Global“ rede ich unter anderem darüber. Gerade in der Musik zeigt sich meiner Meinung nach, was für tolle Dinge entstehen können, wenn Menschen aus verschiedensten Winkeln der Welt zusammenarbeiten. Das wird sich auf meinem ersten, sehr bald erscheinenden Tape noch nicht so stark zeigen. Trotzdem sind dort auch ein paar Beats von einem Marokkaner produziert und ich habe vokale Unterstützung von Personen mit brasilianischem, beziehungsweise türkischem Hintergrund.
Ich wurde in den Niederlanden von zwei Surinamern dazu gebracht, das Rappen ernst zu nehmen. Auf künftigen Projekten werden auch noch Featurings aus Gabun und Südafrika zu hören sein, dort habe ich bei meinen Besuchen auch schon Kontakte geknüpft. Und ohne die Hilfe meiner local German-Homies der Rapper Tim alias Tim089 vom Piano Collective, der den Großteil der Beats in meinen Songs produziert, und Nico, der zuständig für Coverart und den Trailer ist, würde das Tape sowieso nicht existieren. Außerdem möchte ich auch ein globales Publikum ansprechen, deswegen bin ich erstmal nur auf Englisch zu hören.
Wo liegt dann der Unterschied zwischen deinen Songs und deren anderer Rappern?
Vorab möchte ich klarstellen, dass ich weiß, dass auch meine Songs verbesserungsfähig sind, deswegen arbeite ich auch konstant an neuem Stuff! Was sie jedoch meiner Meinung nach jetzt schon von denen anderer Artists unterscheidet, sind Wortgewandtheit, Reimvielfalt und das Level an Wortspielen. Vor allem hierzulande hört man bei vielen neuen Künstler:innen kaum mehr klar erkennbare Reimschemen, geschweige denn mehr als zwei inhaltlich zusammengehörende Verse. Das ist jetzt auch nicht unbedingt was Schlechtes - auch ich habe ein paar Songs, die in einer halben Stunde fertig geschrieben waren - aber am Großteil sitze ich dann doch mehrere Tage. Wie schon gesagt, bin ich Fan von Hip-Hop geworden, weil der Inhalt dieser Musik so bedeutungsgeladen sein kann. Und diese „alte Schule“ möchte ich, so gut es geht und modern verpackt, in meinen Songs weiterführen.
Hip-Hop und Rap scheint also ein sehr großer Teil deines Alltags zu sein. Wieso hast du dich an der
Uni dann aber doch für Kulturwissenschaften anstatt Musik entschieden?
Um von Musik leben zu können, braucht man natürlich Durchhaltevermögen, Spaß an der Sache, Talent - wobei letzteres auch immer mehr wegfällt… aber vor allem Glück. Und falls ich dieses Glück nicht haben sollte, brauche ich einen Plan B, beziehungsweise eine Ausbildung, um mir später einen normalen Lebensunterhalt finanzieren zu können. Das wird mit Musik im Studium eher schwierig, denke ich. Und die Kulturen der Menschen interessieren mich schon, seitdem ich sechs oder sieben Jahre alt bin, wohl resultierend aus der Tatsache, dass meine Wurzeln in zwei doch recht unterschiedlichen Kulturen liegen und ich bilingual aufgewachsen bin.
Wie wir auch bereits erfahren haben, ist dir Internationalität in deiner Musik wichtig. Was inspiriert
dich außerdem?
Da gibt’s keine eindeutige Antwort. Ich bin noch im Anfangsstadium des Rapper-Daseins und probiere mich in vielen Sachen aus, die mir Spaß machen. Das geht von melodischen Newschool-Trap-Songs wie „12345“ bis hin zu gesellschaftskritischen und bedeutungsvollen Tracks wie „Contrasts“. Einflüsse dafür sind dementsprechend neue, junge Künstler:innen genauso wie die alten Klassiker wie Tupac, Eminem oder N.W.A. Meine Lieblingskünstler:innen sind Kendrick Lamar und die Flatbush Zombies. Ich habe beide auch schon live gesehen. Solche Erfahrungen motivieren und lassen neue Ideen aufkommen. Mein Ziel ist es jedoch, Label-unabhängig agieren zu können und Leute anzusprechen, die mich und meine Musik verstehen. Dass dies klappen kann, sieht man sehr gut am Beispiel der Flatbush Zombies. Außerdem haben die beiden Künstler:innen Kelvyn Colt und Serious Klein bewiesen, dass man auch als Deutscher mit englischsprachigem Hip-Hop eine Fanbase aufbauen kann. Ihr Erfolg ist meine Motivation, dasselbe und noch mehr zu erreichen.
Du nennst viele Schwarze Artists als deine Lieblingskünstler:innen und Vorbilder. Wie beeinflusst
dein eigenes Schwarzsein deine Musik?
Natürlich ist Hip-Hop ein (nicht ausschließlich) Schwarzes Genre. Das heißt, ich kann mich mit den „Urvätern“ des Hip-Hop und manchen ihrer Probleme identifizieren, da diese Probleme heute immer noch existieren. In manchen Songs greife ich das auch auf und rede darüber. Aber für den Rest beeinflusst das Schwarzsein meine Musik noch nicht so stark. Aber ich denke, das ändert sich, sobald es mir gelingt, meine Wurzeln in meine Musik zu integrieren.
In drei Stichworten: Wie würdest du deine Musik und Songs beschreiben?
Zeitnah, regellos und echt.
In drei Stichworten: Wie würdest du deinen ersten Auftritt vor Publikum beschreiben?
Ich drücke es mal in Emotionen aus: Nervosität, Motivation und Stolz.
Apropos Auftritt: Du warst Teil der BLM-Demo in Landshut. Was hat das in dir ausgelöst?
Zuallererst muss ich ein großes Dankeschön an das Organisations- und Moderationsteam aussprechen, das mich eingeladen hat, Teil der Demo zu sein. Das war mein allererster Auftritt und ich war super nervös. Aber als ich dann auf der Bühne stand und so viele vertraute Gesichter gesehen habe und der Track losging, ist es wie von selbst gegangen.
Auf die eigentliche Demo bezogen ist es sehr erfrischend und schön zu sehen, wie viele Leute sich gegen Rassismus aussprechen und sich für Betroffene einsetzen. Die Erfahrungsberichte der Beteiligten auf der Demo haben mich sehr berührt und mir gezeigt, wie schlimm es auch anderen BIPoC treffen kann, was Rassismus angeht. Ich habe zwar auch schon unschöne Sachen erlebt, die aber eigentlich nie über verbale Attacken und Alltagsrassismus hinausgegangen sind. Es war mir natürlich bewusst, aber zu hören, dass andere hier in Deutschland dazu noch körperlich angegangen wurden, und das schon häufiger, hat mich auf der einen Seite traurig und vor allem sehr wütend gemacht. Aber auf der anderen Seite hat es mich dazu motiviert, meinen eigenen Beitrag zur Demo zu leisten und weiterhin im Alltag und eben durch solche Aktionen aktiv gegen Rassismus vorzugehen.
Was sind deine Hoffnungen für die Zukunft?
Dass die Menschen irgendwann verstehen, dass es nur zusammen und im Miteinander klappt. Auf alles bezogen. Sei es Musik, Politik oder auch Klimaschutz. Dass Ausschluss im Endeffekt nur negative Konsequenzen hat. Und dass wirklich jeder Mensch gleich und seine Würde unantastbar ist. Davon sind wir leider immer noch zu weit entfernt. Ich hoffe auch, dass die Studie zu Racial Profiling der Deutschen Polizei gebilligt und dann korrekt und ohne Zwischenfälle durchgeführt wird. Denn, und da kann mir wahrscheinlich fast jede in Deutschland lebende Schwarze Person zustimmen, obwohl Racial Profiling verboten ist und nach Herrn Seehofer demnach nicht existiert, bekommt man durch manche Gesetzeshüter eine deutliche Benachteiligung gegenüber anderen zu spüren. Und das kann nicht sein. Außerdem hoffe ich ganz generell, dass die Menschen lernen, sich in andere hineinzuversetzen. Empathie ist meiner Meinung nach die Lösung für viele unserer Probleme, beziehungsweise würden viele dieser Probleme nicht existieren, wenn mehr Menschen fähig wären über ihren eigenen Tellerrand zu schauen.
Sehr schöne Worte. Aber nochmal zurück zu deiner Musik. Wie geht es mit deiner Zukunft weiter?
Worauf können wir uns in Zukunft freuen?
Wie ich oben schon gesagt habe, ein eigenes Label und ein globales Publikum. Das impliziert natürlich, dass ich mir damit meinen Lebensunterhalt verdienen kann. Außerdem möchte ich immer ich selbst bleiben und mich nicht von Trends, möglichen Erfolg oder Ähnlichem verbiegen lassen.
Ich werde mich weiterhin ausprobieren und so viel Musik veröffentlichen, wie es nur geht, bei der Wahrung eines gewissen Qualitätsstandards. Mein erstes Tape ist ja schon fertig und ich arbeite schon an meinem zweiten Projekt, da ist definitiv wieder eine Steigerung bemerkbar, aber das werdet ihr alle in ein paar Monaten hören. Ich will außerdem lernen, Beats selbst zu produzieren. Denn so kann ich meine Ideen völlig ungebremst umsetzen, ohne auf einen anderen Producer angewiesen zu sein. Und Kontakte innerhalb der Musikszene knüpfen, ganz klar. Mit anderen Künstler:innen, die eine ähnliche Vision haben wie ich zusammenarbeiten, da habe ich richtig Bock drauf!
Vor allem aber möchte ich meine südafrikanischen Wurzeln in meine Musik mit einfließen lassen. Ich bin bisher sehr stark von amerikanischer Musik geprägt und habe erst mit 18 angefangen, meine Familie regelmäßig zu besuchen, also ist der musikalische Einfluss aus Südafrika eher gering. Aber ich habe wie gesagt dort schon erste Kontakte geknüpft und bin sicher, dass ich auch dort noch mehr Networking betreiben kann, sobald ich wieder hinfliegen kann. Can’t wait!
Akosua Abrefa-Busia