Das Revival des Kolonialismus

Ruft man sich das Märchen „Die Sterntaler“ der Gebrüdern Grimm ins Gedächtnis, so ist dieses hauptsächlich von freiwilliger Selbstlosigkeit, die am Ende belohnt wird, geprägt. Überträgt man dieses Märchen nun auf die Geschichte von Afrika mit Kolonialmächten, so ist diese vor allem von Ausbeutung gekennzeichnet, die bedauerlicherweise bis heute stattfindet. Zunächst stellt sich grundsätzlich die Frage, was man unter dem Begriff Kolonialismus versteht. Laut Definition ist Kolonialismus die Inbesitznahme und Ausbeutung fremder, meist abgelegener Gebiete. Diese von den europäischen Ländern initiierte Eroberungspolitik spiegelte sich in Form der Zunahme an Kolonien zwischen dem 16. und 20. Jahrhundert stark wider.

Des Weiteren lässt sich zwischen verschiedenen Arten von Kolonien differenzieren. In erster Linie existierten sogenannte Siedlungskolonien, welche von Emigranten:innen der Kolonialmächte beherrscht wurden. Dabei legte man den Fokus auf Großgrundgebiete und Plantagenwirtschaft. In zweiter Linie etablierten sich Wirtschaftskolonien, deren Aufgabe es war, die Rohstoffversorgung für das Mutterland zu sichern. Ein weiterer Kolonialtyp waren die sogenannten Militärkolonien, welche im Hinblick auf die Sicherung von Seewegen im Zuge einer geopolitischen Intention errichtet wurden. Darüber hinaus fungierten Strafkolonien als Aufenthalts- und Verbannungsort für Sträflinge des Mutterlandes.

Begibt man sich an die Anfänge des Kolonialismus, so findet man sich im 16. Jahrhundert wieder. Bevor die Kolonialmächte das Leben der Einheimischen Menschen einschränkten, kennzeichnete sich ihr Alltag vor allem durch Freiheit in Form von Rechten und einer eigenen Kultur. Als die Kolonialmächte die jeweiligen Gebiete erobert hatten, änderte sich das einheimische und wertgeschätzte Leben schlagartig. Ziel der Kolonialmächte war die kontinuierliche Unterdrückung der Einheimischen. Dies geschah vorwiegend in Gestalt des Sklavenhandels und ferner durch die Ermordung vieler einheimischer Menschen.

Die Kolonialmächte planten ihre Macht im Sinne des Imperialismus mithilfe organisierter Ausbeutung, auszubauen. Sie sahen sich in der Pflicht, die lokale Bevölkerung zu zivilisieren sowie ihnen ihre eigene Kultur aufzuzwingen. Aufgrund dieses Gedankenguts wurden die Einheimischen zunehmend als Wilde angesehen, was wiederum die Verbreitung von rassistischen Ideologien förderte. Man sah Afrikaner:innen als inkompetente und minderwertige “Rasse” und Europäer:innen als die überlegene “Rasse” an. Auch aus heutiger Sicht kann und darf eine solche verwerfliche Denkweise diese Verbrechen nicht legitimieren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Kolonien weitestgehend abgeschafft und sollten ihre Unabhängigkeit zurückerlangen. Dieses Selbstbestimmungsrecht der Völker wurde auch von der UNO festgelegt. In der Theorie wurde die Dekolonialisierung erfolgreich umgesetzt. Allerdings hatte der zuvor bekannte Kolonialismus seit dem 16. Jahrhundert nun bereits eine neue Form angenommen. Man spricht vom sogenannten Neokolonialismus (Postkolonialismus). Darunter versteht sich die Ausbeutung von Entwicklungsländern durch Industrienationen und einflussreiche Unternehmen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass gewisse Dominanzstrukturen immer noch gegenwärtig sind und dies mit einer besorgniserregenden Tendenz einhergeht, dass seitens der Industrienationen ein großes Interesse besteht, ein solches Machtgefälle auch weiterhin aufrechtzuerhalten. Anhand von Vor- und Nachteilen des Kolonialismus sollen im Folgenden Parallelen und Unterschiede zum Neokolonialismus aufgezeigt werden.

Zum einen führt die Kolonialisierung zum Ausbau der Infrastruktur. Gleichzeitig profitieren die Einheimischen auch von einer besseren medizinischen Versorgung. Dem sei jedoch angemerkt, dass Europäer:innen und verschleppte Sklaven:innen den vorherrschenden Krankheiten in den Kolonien beziehungsweise im Mutterland oft zum Opfer fielen. Ein weiterer Vorteil begründet sich durch das Ziel aller Staaten, langfristig ein industrielles Wachstum zu erzielen. Um dies zu erreichen, werden billige Arbeitskräfte mobilisiert, welche wertvolle Rohstoffe für große Unternehmen beschaffen, um diese im Inland der Industrienationen teuer weiterzuverkaufen. Folglich werden zu Gunsten der Globalisierung neue Absatzmärkte erschlossen, welche somit die Macht des Welthandels einerseits stabilisieren und andererseits fördern sollen. Diesen, für die Industrienationen wie beispielsweise China, die USA, Großbritannien und Mitgliedstaaten der EU wie Deutschland und Frankreich, positiv empfundenen Aspekten stehen schwerwiegende negative Aspekte für die jeweiligen unterdrückten Länder gegenüber.

Grundsätzlich sollte man sich bewusst sein, dass die früheren Kolonien ihrer kulturellen, politischen und besonders wirtschaftlichen Autonomie beraubt wurden. Dies wurde primär durch Sklavenhandel und dem damit einhergehenden Völkermord als Reaktion auf Widerstand erreicht. Darüber hinaus wurden vor und nach dem Zweiten Weltkrieg die Grenzen des uns heute bekannten Afrikas willkürlich festgelegt. Infolgedessen wurden in erster Linie vereinzelte und verfeindete Stämme voneinander getrennt und in zweiter Linie teilweise in einem neuen Gebiet zusammengeführt. Dies führte wiederum zu Streitigkeiten, Kriegen, Hungersnöten und Gewalt. Die logische Folge daraus ist, dass Menschen aus ihrem wirtschaftlich schwachen sowie politisch und sozial instabilen Ländern fliehen. Sobald man diesen Zusammenhang versteht, wird deutlich, dass sich diese Probleme auf den Kolonialismus zurückführen lassen. Das Kontroverse dabei ist, dass vor allem ein Kontinent wie Afrika im Vergleich zu Europa nahezu alle Rohstoffe besitzt, welche seine Länder zum Leben benötigt. Tragischerweise werden Menschen weiterhin ausgebeutet und entkommen der (finanziellen) Abhängigkeit von den Industrienationen nur sehr schwer.

Daraus folgt aber auch, dass Afrika durchaus das Potential hat, eine Supermacht zu werden. Solange Monopolmächte und weltweite Kreditinstitute wie die IWF, WTO oder WB aber dafür sorgen, dass die Unterdrückung potentieller Konkurrenten intakt gehalten wird, scheint eine Lösung des Problems nahezu unmöglich. Fraglich ist, ob eine Revolution Abhilfe schaffen könnte. In Bezug auf die Dependenztheorie, also die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungstheorie einer Nation, spricht man von der Weiterentwicklung der Industrieländer – während die ehemaligen Kolonien, welche sich in einem erheblichen Rückstand befinden, sich mit einer “Unterentwicklung” konfrontiert sehen. Man braucht nur einmal einen Blick auf die Waren und deren Bestandteile werfen und man stellt unverzüglich fest, dass nicht alle Produkte „Made in Germany“ sind oder aus direkten europäischen Nachbarländern stammen.

Man konsumiert somit übermäßig Ressourcen der Entwicklungsländer. Dies geschieht auf Kosten unzumutbarer Arbeitsbedingungen, die dazu beitragen, dass Menschen ihr eigenes Land verlassen. Gleichzeitig beklagt man hierzulande, keine Geflüchteten im eigenen Land haben zu wollen. Würden die ehemaligen Kolonien alle eigenen Ressourcen für sich beanspruchen, hätten wir in Europa ein weitaus größeres Problem. So würden beispielsweise einige, im Hinblick auf die Kaffee- oder Kakaobohne, nicht auf Kaffee oder Schokolade verzichten wollen. Dies soll kein Vorwurf an die Globalisierung sein, sondern vielmehr ein Appell, über den eigenen Konsum ethisch nachzudenken.

Führt man alle diese Aspekte zusammen, verbleibt die Hoffnung, dass afrikanische Länder und andere ehemalige Kolonien endlich aktiv gegen diese Ausbeutung vorgehen, statt auf ein Wunder zu warten. Diese Facetten und die weitreichenden Folgen des Kolonialismus sind im Gegensatz zu dem Märchen „Die Sterntaler“ pure Realität, und dennoch sind wir von einem “Happy End” in Form von Gerechtigkeit weit entfernt. Daher müssen faire Verhandlungen stattfinden, in denen man sich als Industrienation in die Lage der neokolonialen Gebiete versetzt und sich solidarisch der Verantwortung stellt, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen.

@idek