Zielscheibe Kopftuch
Kein Kleidungsstück auf dieser Welt sorgt für solch hitzige Debatten, wie das Kopftuch. Es handelt sich nicht nur um ein Stück Stoff - für Hijabis charakterisiert er die enorme Gebundenheit und Liebe zur Religion, Schutz und Selbstbestimmtheit. Wäre es nicht traumhaft, ein Kopftuch zu tragen ohne jegliche abwertende Blicke, rassistische Übergriffe und Beleidigungen von intoleranten Menschen zu erhalten? Leider nicht möglich - denn die hiesige Gesellschaft ist im 21. Jahrhundert immer noch nicht so weit, muslimische Frauen mit einem Kopftuch zu akzeptieren. Dass wir in einer rassistischen Gesellschaft leben, wurde nun auch empirisch bewiesen: 22 Prozent der Befragten geben an, selbst schon von Rassismus betroffen gewesen zu sein. Das geht aus der Auftaktstudie zum neuen Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor (NaDiRa) des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) hervor.
Ein Kampf der Kulturen, der nicht nur im Alltag unter der Bevölkerung ausgetragen wird, sondern auch ständig hohe Wellen in den Medien schlägt.
So scheiterte bereits die Pro Kopftuch-Kampagne des Europarates (im November letzten Jahres) „Beauty is in diversity as freedom is in hijab“. Die Online-Kampagne war nur wenige Stunden im Internet zu sehen, da in Frankreich schon das Feuer loderte und die Kampagne zurückgezogen wurde. Das wars dann wohl mit dem Vorhaben der Förderung von Vielfalt und der Bekämpfung von Hass und Hetze. Tweets wie „Mein Kopftuch, meine Freiheit“ wurden mit sofortiger Wirkung gelöscht. Ja, denn die Macht der Medien ist nicht zu unterschätzen und natürlich könnten sich diese Aktionen positiv auf das gesellschaftliche Zusammenleben mit und für Hijabis auswirken. Wer sollte dann zur neuen Zielscheibe werden, wenn dieser Ansatz einen minimalen Erfolg erlangen würde und muslimische Kopftuchträgerinnen schlagartig Akzeptanz erhalten?
Die mediale Online-Kampagne wurde leider gestoppt und konnte nicht ihr gewünschtes, gesellschaftsförderndes Ziel erreichen. Dass die marginalisierte Gruppe der Kopftuchträgerinnen immer wieder zur Angriffsfläche erklärt wird, ist allen bekannt. Dieser Disput ist insbesondere auf ein grandioses Versagen der massenmedialen Berichterstattung zurückzuführen. Ein persönlicher Austausch und interkultureller Dialog mit Muslimas ist eine Seltenheit, da die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in einem hohen Maße mit Gewalt- und Konfliktthemen durch die Massenmedien in Verbindung gebracht wird. Die Bedeutung der Massenmedien, hat für den gesellschaftlichen Diskurs über Muslimas eine elementare Bedeutung.
Die Darstellungen symbolischer, bildhafter oder textueller Art, die überwiegend einen negativen Beigeschmack hat, trägt dazu bei, innerhalb der gesellschaftlichen Strukturen einen Nährboden für islamische Feindbilder zu bieten. Die Bevölkerungsmehrheit meidet die bewusste Begegnung zu Muslimas und meint aber zu wissen, dass die Rolle der Frau im Islam eine unterdrückte und sie ein typisches Opfer einer patriarchalischen, islamischen Gesellschaft sei - ein gewöhnlicher Stereotyp, der sich bei den Menschen verankert hat. Wissenschaftliche Befunde aus der Frauenmedienforschung beweisen (Schiffer, 1994; ZIF, 2002; Farrokhzad, 2006), dass muslimische Frauen auf ihr Kopftuch reduziert werden. Der Schleier fungiert hierbei als Symbol einer unterdrückten Frau, die wiederum durch ihre Religion gefesselt wird. Eine undifferenzierte Darstellung muslimischer Frauen ist ebenso zu kennzeichnen, kaum werden sie in Rollen einer emanzipierten und erfolgreichen Frau präsentiert. Eher erfolgt eine stereotypische Zuordnung als Opfer, Fanatikerin, Fundamentalistin oder Migrantin.
Müssen wir uns bei solch einer negativen Darstellung in den Massenmedien noch wundern, woher die vorurteilsbehafteten Vorstellungen der Mitbürger*innen kommen?
Gegenüber Kopftuchträgerinnen ist eine klare diskriminierende Haltung seitens der Medienmacher*innen zu erkennen. Die Ironie der ganzen Aufbereitung: Wenn über muslimische Frauen berichtet wird, dann werden sie hauptsächlich von Nicht-Muslim*innen bewertet - und das natürlich auf einem hohen abwertenden Niveau. Wie wäre es, Muslimas nicht bloß als passives Objekt zu präsentieren, um die überkommenen Stereotype zu überwinden? Ein möglicher Ansatz der Überwindung wäre, Fremdgruppen in Deutschland, wie auch Muslimas, in die öffentlichen Mediensysteme mit einzubinden und somit ein ausgewogenes und facettenreiches Islambild zu konstruieren, das vorhandene Stereotypen aushebelt.
Autor*in: Maiyra Chaudhry
Quelle:
https://www.rassismusmonitor.de/fileadmin/user_upload/NaDiRa/ CATI_Studie_Rassistische_Realitäten/DeZIM-Rassismusmonitor-Studie_Rassistische Realitäten_Wie-setzt-sich-Deutschland-mit-Rassismus-auseinander.pdf